Almina Quill - Fantasyautorin

Hallo, ich bin Almina

Ich liebe Geschichten. Habe sie schon immer geliebt und nun meinen Sinn darin gefunden, sie dir zu erzählen, dich damit aus dem Alltag zu reißen und dir Freude ins Herz zu tragen.

Alles ist möglich in Träumen und Büchern. Ich liebe es, in fremde Welten abzutauchen, in denen feuerspeiende Drachen ihre Feinde bekämpfen. In denen ein Fingerschnippen, mächtige Magie freisetzen kann. Mit meinem Pseudonym Almina Quill schreibe ich Fantasyromane und entführe dich aus der Realität.

Das ist auch die Bedeutung hinter diesem selbstgewählten Namen: Almina, die Verzaubernde, trifft auf Quill, die Schreibfeder.

Durch das Schreiben ist mir klar geworden, dass ich meine Träume auch im echten Leben verwirklichen kann, deshalb habe ich meinen Job gekündigt, um durch die Welt zu reisen und Geschichten zu sammeln und diese mit dir zu teilen.

Hier auf der Webseite findest du viele spannende Kurzgeschichten, mit dem gewissen Etwas. Sie sind nie ganz so, wie sie zu Beginn scheinen.

Die Fantasie ist das höchste Gut, denn dort können wir alles sein. Deshalb komm mit auf meine Reise und lass dich verzaubern.

Alles Liebe, Almina Quill

General Eleonore Lattvia seufzte tief. Schon wieder fehlten zwei ihrer Wächter. Eben war ein Bote mit der Nachricht, dass Kadi und Jax nicht in ihre Quartiere zurückgekehrt waren bei ihr gewesen und hatte sie aus ihrem wohlverdienten Schlaf gerissen. Wenn sie Pech hatte, wanderten die beiden irgendwo als Schafe umher. Falls ihr Unglück noch größer war, wurden sie möglicherweise in irgendeinen entfernten Winkel des Königreichs teleportiert und mussten nun ihren langen Weg zurück antreten.

Seit der verrückte Xanthor verschwunden war, ging in Omara alles drunter und drüber.

Niemand wusste genau, weshalb der Erzmagier wie vom Erdboden verschluckt war, aber die Auswirkungen seiner Abwesenheit betrafen jeden. Nicht nur in der Hauptstadt des Reiches, sondern wenn die Berichte stimmten, auch überall sonst.

Die Magie spielte verrückt, so verrückt wie der alte Mann selbst gewesen war und ohne ihn wäre es unmöglich, sie wieder in ihre Schranken zu verweisen.

Eleonore wusste, sie musste den König auf die einzige vernünftige Lösung aufmerksam machen. Xanthor musste gefunden und nach Omara zurückgebracht werden.

Weil der Schlaf sie sowieso nicht mehr in seinen Armen willkommen heißen würde, wusch sie sich und begann sich anzukleiden, bevor sie die Glocke läutete, die eine Maid in ihre Kammer bringen würde.

Der General war eine Frau, die gerne alles was möglich war selbst in die Hand nahm, selbst wenn das bedeutete, sich manchmal mit Aufgaben zu überwältigen. Aber ihre Rüstung konnte sie nicht ohne Hilfe anlegen, egal wie oft sie es schon versucht hatte, sie war immer gescheitert.

Als es an der Tür klopfte, riss Eleonore sie ungeduldig auf. „Wurde auch Zeit“, sagte sie, obwohl sie eigentlich viel zu früh dran war und der König sie nicht vor der nächsten Stunde erwartete. Nichtsdestotrotz konnte sie die Zeit nützen, um mehr über Kadi und Jax’s Verschwinden herauszufinden. Oder darüber, wie sie gewährleisten wollte, dass dennoch genug Wächter am großen Bankett heute Abend zur Verfügung stünden.

Fast hätte sie geflucht. Das hatte sie vollkommen vergessen.

Wenigstens war die Maid, die aufgetaucht war, mit ihrer Rüstung vertraut und sie arbeiteten schweigend und Hand in Hand daran, sie fertig zu machen.

„General?“

Die Maid sprach leise. Eleonore versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern, aber er war ihr entfallen. Wie nachlässig von ihr. Sie drehte sich um und nickte, um ihr zu verstehen zu geben, dass sie zuhörte. Die Handschuhe fehlten noch, aber Eleonore bevorzugte sowieso lederne Handschuhe, anstelle der eisernen, die eigentlich zu ihrer Rüstung gehörten.

Die Maid, deren zu einem dicken Zopf gebundenen Haare über ihre Schulter hingen, öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber kein Laut kam heraus.

„Was ist denn? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!“

Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, fühlte sie, wie die kinnlangen Haare auf ihrem Kopf zu Berge standen. Sie verdrehte die Augen nach oben. Aber es war unmöglich, ihre Haare zu sehen.

„Duckt euch!“, sie versetzte der Maid einen Stoß, was diese aufschreien ließ und bewegte sich ihrerseits von der anderen Frau weg. Dann gab es einen lauten Knall, der Eleonore in den Ohren dröhnte und sie von den Füssen fegte. Zum Glück hatte ihre Kammer keine Fenster. Die Menge an freigesetzter Energie hätte sie sicherlich zerstört.

Aber neben diesem wirklich nervtötenden konstanten Klingeln in ihren Ohren hatte sich noch etwas Anderes verändert. Mit weit aufgerissenen Augen hob Eleonore ihre rechte Hand vor ihr Gesicht. Von den Fingerspitzen bis zum Handgelenk hatte sie sich verändert. Sie glänzte silbrig, kribbelte und war kalt wie Stahl, als hätte sie gerade stundenlang in der Kälte gestanden und sich nicht bewegt. Diesmal fluchte sie wirklich.

Pim rannte. Er rannte oft, aber diesmal rannte er so schnell er konnte – und das war ziemlich schnell. Seine Füße sausten über den, aus weißen Steinen gefertigten Boden des Palastes.

Hinter sich konnte er die Wachen nach ihm rufen hören und er hörte auch das Geschepper ihrer Rüstungen.

Er hatte sich eigentlich nur etwas zu Essen aus der Küche stehlen wollen. Das tat er hin und wieder, König Thoren Omara hatte schließlich genug davon und er selbst hatte oft zu wenig.

Einmal hatte ihn dabei die Köchin erwischt. Aber sie war eine liebe Frau. Zwar fand Pim, sie sei viel zu mager, um eine Köchin zu sein, aber sie hatte nur mit einem Auge gezwinkert, als Pims dreckige Hände zwei Brötchen in seine Hosentasche gleiten ließen. Als er davongerannt war, war sie ihm nicht gefolgt.

Über den glatten Boden schlitternd, bog er um eine Ecke und kam mit den Armen rudernd nur deshalb zum Stehen, weil sich gerade vor ihm eine Tür geöffnet hatte. Eine Frau trat daraus hervor, die Pim ebenfalls kannte. Jedenfalls vom Sehen her. Es war General Lattvia und er betete, dass sie ihn nicht gesehen hatte.

Das würde zum heutigen Tag passen, wo doch schon alles schiefgegangen war. Gut, eigentlich war er selbst schuld, oder besser gesagt, seine Neugier. Er war schon auf dem Weg gewesen den Palast wieder zu verlassen, indem er ohnehin eigentlich nichts verloren hatte, wenn man den Worten von Bruder Kadrim glauben konnte. Der wurde nämlich jedes Mal fuchsteufelswild, wenn ihm zu Ohren kam, er wäre wieder im Palast gewesen. Außer natürlich, er begab sich auf Kadrims Geheiß dahin.

Bruder Kadrim war nicht wirklich sein Bruder, aber er verlangte von allen Jungen, die für ihn stahlen, dass sie ihn so nannten. Pim fand, dass Bruder Kadrim auch zu alt war, um sein Bruder zu sein. Er hatte einen dicken Bauch und seine Haare waren, obschon sie kurz geschoren waren, grau, das sah sogar er.

Er hoffte, dass Bruder Kadrim nicht zu Ohren kam, dass er heute sogar von Wächtern verfolgt worden war. Pim konnte die Schläge schon spüren, die er dafür kassieren würde und er zog im Laufen den Kopf ein, so als regneten sie bereits auf ihn nieder.

Pim atmete auf, als der General mit schnellen Schritten in ebenjene Richtung davoneilte, aus der er gekommen war. Die Chancen standen gut, dass sie ihren Wachen, wenn sie ihnen begegnete, eine andere Aufgabe geben würde, als hinter ihm her zu hetzen.

Es war schließlich nicht so, als ob er etwas Schlimmes getan hatte. Eine Tür hatte einen Spalt weit aufgestanden, als Pim daran vorbeigeschlichen war. Er wollte weitergehen – wirklich! Aber die Stimme dahinter war die Stimme des Königs selbst gewesen und wann hatte man schon die Gelegenheit, König Omara selbst zu belauschen.

Er hatte sich näher an den Spalt gedrückt in der Hoffnung, etwas besser hören zu können und vielleicht sogar einen Blick auf den König zu erhaschen. Aber dann war er dumm genug gewesen, sich zu verraten.

»Wir haben ihn, mein König«, hatte jemand gesagt, den Pim nicht gekannt hatte. Sein Herz hatte einen Satz gemacht, weil er naiv angenommen hatte, von ihm sei die Rede.

»Den Magier? So schnell?« Der König hatte eine ruhige Stimme. Pim fand sie freundlich, fast lieb. Trotzdem glaubte er, wenn der König ihm etwas befehlen würde, würde er es befolgen. Die Stimme konnte sicher auch gut befehlen.

»Oh«, sagte der andere Mann und Pim hatte gekichert, »Nein, ich meinte Morg. Ich dachte, ihre Majestät möchte sicher sofort darüber unterrichtet werden.«

Ein Schauer rieselte Pims Rücken hinab. Morg war einer der berüchtigsten Verbrecher, den Omara je gesehen hatte. Wenn nicht sogar »der« Berüchtigtste. Zumindest wenn man Bruder Kadrim glauben konnte.

»Ah, ja«, sagte der König, »es hätte mich auch gewundert, wenn – aber nichtsdestotrotz, danke ich, für diese Neuigkeit. Ihr dürft gehen.«

Fast im gleichen Augenblick, war die Tür aufgestoßen worden und Pim hatte mit großen Augen in ein Gesicht gestarrt, das furchteinflößender nicht hätte sein können. Grimmige, graue Augen und eine gefurchte Stirn blickten auf ihn hinab. Eine Narbe zog sich über die rechte Wange des ansonsten vollbärtigen Gesichts. Der Mann richtete sich zu seiner vollen Größe auf und griff nach ihm.

Pim war gerannt.

Dass er überhaupt entwischt war, war seiner Meinung nach pures Glück gewesen.

Er sollte sich beeilen, den Palast endlich zu verlassen. Am besten würde er durch ein Fenster klettern. Aus der Vordertür heraus zu spazieren wäre mit Sicherheit eine weitere Dummheit. Er rannte weiter und hielt am nächsten Fenster inne. Flink kletterte er auf den Sims und öffnete das schwere Fenster, das bestimmt dreimal so groß war, wie er selbst.

»Schnell«, flüsterte er und begann an den groben, aber ebenfalls strahlend weißen Steinen der Außenmauer des Palastes nach unten zu klettern. Beinahe hatte er den Boden erreicht, als etwas Eigenartiges geschah.

Der Stein unter seinen Händen schien sich in nichts aufzulösen. Er keuchte erschrocken auf, hatte aber keine Möglichkeit mehr, irgendwo anders Halt zu finden. Unsanft landete er auf dem Hosenboden und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Dann spürte er das Kribbeln auf seinen Händen. Wie tausend Ameisen, die gleichzeitig darüber marschierten.

Pim schüttelte sie, aber das Kribbeln blieb. Egal, damit würde er sich später beschäftigen. Er hatte Kadrim schon zu lange warten lassen.

Die Hauptstadt war in Aufruhr. Sogar hier, ganz am Rand von Ria’shu, waren die Leute angespannt und das bereits am frühen Morgen. Die Nachricht, dass Morg, der berüchtigtste Verbrecher, gefasst worden war und ohne Prozess hingerichtet werden soll, hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet.

Angst, Anspannung und ja, teilweise sogar Vorfreude, waren die Folge davon. Es lenkte die Bewohner von Omarars Hauptstadt, von ihren eigentlichen Problemen ab. Es ließ sie vergessen, dass Magie wild, unberechenbar und frei durch die Straßen flackerte.

Aber Carina wusste es besser. Eigentlich war alles, was die drohende Hinrichtung tat, die Unruhe noch zu vergrößern. Das Misstrauen, das die Menschen befallen hatte, seit … was auch immer passiert war… und das dazu geführt hatte, dass die Magie sich so aufbäumte.

Hastig fütterte sie die wenigen Hühner, die sie und ihre Mutter noch ihr eigen nannten. Weil sie am Stadtrand wohnten, sogar außerhalb der Mauer, die den inneren Kern und den Palast schützten, war es möglich, Tiere hinter ihrem Haus zu halten. Carina und ihre Mutter hatten gemeinsam ein Gehege für die fünf Hühner und die zwei Kaninchen gebaut. Hier störte sich niemand daran, aber das lag auch an der ärmlichen Hütte, in der die beiden wohnten.

Freudig pickten die Hühner nach den Körnern, die sie ihnen in den Käfig warf. Sie lächelte und konnte es nicht lassen, den Kaninchen schnell über die Löffel zu streicheln. Dann schnappte sie sich den Eimer, goss das Tröpfchen Wasser, das noch dort drin enthalten war, in die Hühnertränke und machte sich dann auf den Weg zum nächsten Brunnen.

Ria’shu hatte mehr als einen Brunnen, aber alle lagen innerhalb der Stadtmauer. Für Carina bedeutete das einen Fußmarsch von zwei Stunden.

Selbst ohne die wilde Magie, die in weiß-leuchtenden Schwaden und Fetzen durch die Gassen waberten, war der Weg schon lange genug. Jetzt, da sie ständig ausweichen musste, hatte sie oft fast doppelt so lange. Ihre Mutter hatte noch nie kommentiert, weshalb sie inzwischen so lange dafür brauchte. Aber sie kommentierte ohnehin nicht mehr viel, seit sie krank geworden war.

Eilig lief sie mit dem leeren Eimer durch die Straßen und wich einem zotteligen Streuner aus, der auf sie zuhielt. Direkt vor ihr leerte jemand einen Nachttopf auf die Straße. Naserümpfend raffte sie ihren braunen, einfachen Rock etwas, so dass er ganz sicher nicht über den Boden schleifte und machte einen Bogen um die Pfütze, die sich geformt hatte.

Je näher sie der Stadt kam, desto belebter wurden die Straßen und Gassen und desto häufiger erkannte sie das Glitzern von Magie. Sie schien heute besonders lebendig zu sein. Tänzelte hier hin und dort hin und Carina sah sich mehr als einmal gezwungen, ihren Weg zu ändern. Wo die Bevölkerung Omaras lediglich unruhig war, war Carina selbst wirklich verängstigt.

Sie konnte die Magie sehen. Hatte schon zugesehen, wie sie die Menschen zerrissen hatte, sie verdrehte, oder sie einfach verschwinden ließ und die Szenen hatten sich unwiderruflich in ihr Hirn eingebrannt. Niemals würde sie geradewegs auf Magie zu rennen, wenn sie sie kommen sah.

Gerade drehte sie um eine Ecke in eine leere Gasse, als sich eine ganze Wand voller Weiss auf sie zubewegte. Für einen Augenblick stand sie stocksteif da und vergaß zu atmen. Sie hatte noch nie gesehen, dass es jemandem gelungen war, den Fetzen wilder Magie auszuweichen, aber ihr war auch nicht bekannt, dass jemand außer ihr in der Lage war, die Fetzen zu sehen.

Zitternd drückte sie sich so flach wie möglich an die Wand und wartete. Betete, dass die Magie einfach vorüberzog. Carina hatte sich schon gefragt, ob sie Ähnlichkeit mit einem Tier hatte und vielleicht auf die Umgebung reagierte. Aber die silberweißen Ströme schienen aller Willkür nach durch die Welt zu irren, wie verspielte Welpen, die nicht auf ihre Umgebung achteten.

Diesmal sollte sie kein Glück haben. Der weiße Nebel bewegte sich weiter auf sie zu. Kurz überlegte sie, sich flach auf den Boden fallen zu lassen, aber da war es schon zu spät.

Schützend hob Carina die Arme vor das Gesicht und presste die Augen zusammen, nur um sie sogleich wieder aufzureißen.

Das weiße Leuchten war noch da und sie stand mittendrin. Sie blinzelte einmal, unwillig sich zu bewegen und ihre Lage noch gefährlicher werden zu lassen. Es fühlte sich an, als würde die Magie sie liebkosen. Ein sanftes Kribbeln fuhr über ihre Arme, ihre Wangen, ihren Kopf. Ja sogar ihre Beine und ihren Bauch und Rücken. Nichts weiter geschah.

Es kam Carina vor, wie eine Ewigkeit, in der sie dort stand, mitten im weiß-silbrigen Leuchten und nicht wusste, was sie tun sollte. Dann, als sie endlich den Willen und Mut aufbrachte, sich nicht weiter darum zu kümmern, dass sie in einer Todesfalle stand und einfach weiterzugehen wollte, verschwand das Licht. Es schien sich zusammenzuballen, und zwar genau an der Stelle, an der Carina stand und dann war es weg.

Zitternd atmete sie tief durch und ergriff erneut ihren leeren Eimer. Die Bewegung verursachte ein silbriges Schimmern in der Luft und Carina zuckte zurück.

Als nichts weiter geschah griff sie erneut nach ihrem Eimer. »Das sind die Nerven«, murmelte sie sich selbst Mut zu. »Das hast du dir eingebildet.«

Als sie die Gasse verließ, warf sie keinen Blick zurück. Aber sie kassierte dennoch einige irritierte Blicke, der umstehenden Stadtbewohner. Vermutlich sah sie aus, als hätte sie gerade ein Gespenst gesehen.

In rasantem Galopp ritt Vulir über die grüne Weite, die sich an Omaras Hauptstadt anschloss. Die Hufe seiner Stute donnerten gegen den Untergrund und der Wind peitschte ihm durch die Haare und ins Gesicht, dass es ihm Tränen in die Augen trieb.

Er jubelte. Laut und ungefiltert hallte seine Freude in seinen eigenen Ohren wieder und über das Feld. Nirgends fühlte er sich so lebendig wie auf dem Rücken eines Pferdes oder im Zweikampf mit einem ebenbürtigen Gegner. Die Natur musste eine üble Laune gehabt haben, als sie ausgerechnet ihn dazu verdonnert hatte, Kronprinz zu sein.

Vulir fand daran überhaupt nichts erstrebenswert. Er hasste Politik. Das immergleiche Gerede um den heißen Brei herum langweilte ihn und er fühlte sich dadurch in die Enge getrieben, wie ein Lamm, das vor einem Wolf stand. Außerdem störte ihn auch, dass alle sich so formell verhielten und nicht geradeheraus sagten, was sie dachten. Er wusste nicht, wie sein Vater das aushielt und er hatte sich bisher immer wieder erfolgreich davon überzeugt, dass dies keine Frage war, über die der König von Omara glücklich gewesen wäre.

Also hatte Vulir angefangen, sich fortzuschleichen. Das gelang ihm manchmal besser und manchmal weniger gut. Ausgerechnet heute die Chance zu nutzen, war vermutlich töricht. Schließlich war Morg gefunden worden und er sollte heute noch hingerichtet werden. Nicht nur der König, auch die Menschen von Ria’shu erwarteten, dass er an der Seite seines Vaters stünde, wenn die Hinrichtung stattfand. Bis dahin wäre er aber mit Sicherheit zurück im Schloss und niemand würde merken, dass er überhaupt weggewesen war.

An einem kleinen See hinter der Stadt ließ er sein Pferd schließlich anhalten. Er stieg aus dem Sattel und führte die Stute zum Wasser, damit sie saufen konnte. Dann setzte er sich auf einen Stein und ließ den Blick über das klare, fast spiegelglatte Wasser schweifen. Die Ruhe hier war immer ungewohnt. Aber er genoss sie nichtsdestotrotz. Im Schloss war es nie ruhig, jedenfalls nie auf diese friedliche, allumfassende Art und Weise. Selig lächelnd schloss er die Augen. Nur für einen Moment; sagte er sich.

Ein Wiehern ließ ihn die Augen aufreißen. Wie viel Zeit war vergangen? Hastig stand er auf, um das Pferd zu beruhigen, das mit aufgerichteten Ohren starr das andere Ufer beäugte.

»Ganz ruhig, Mädchen.« Er tätschelte ihr den schweißnassen Hals. Sie tänzelte unruhig und schnaubte. »Was hast du denn?«

Da war nichts. Er konnte nichts erkennen, was die Stute in eine solche Unruhe versetzen würde und das ließ auch in ihm ein vages Gefühl der Bedrohung entstehen. »Ruhig, ganz ruhig.«

Langsam griff er nach den Zügeln und führte sie vom Wasser weg. Ihre Ohren zuckten, aber sie ließ sich mehr oder weniger bereitwillig leiten.

Das Einzige, was er sich denken konnte, was die Stute spürte, war eine Welle wilder Magie, obwohl ihm schleierhaft war, wieso ein Tier die Magie sollte sehen können. Fakt war aber, dass dieses Verhalten mehr als ungewöhnlich war und Vulir war nicht töricht. Unvorsichtig vielleicht, aber nicht dumm genug, um stehen zu bleiben, wenn er eine so deutliche Warnung erhielt.

Zügig stieg er in den Sattel und drückte seinem Reittier die Fersen in die Flanken. Sie preschten los. Je mehr die Distanz zwischen ihm und dem See zunahm, desto mehr konnte sich Vulir auf dem Pferderücken entspannen und als er den Weg nach Ria’shu und zurück zum Schloss einschlug, war der Vorfall am Wasser schon eine ferne Erinnerung.

Am Stand der Sonne erkannte er, dass er nun doch zu lange getrödelt hatte. Er würde wohl oder übel direkt zum Gerichtsplatz reiten müssen, wenn er die Hinrichtung nicht verpassen wollte. Er trieb seine Stute nochmal zu größerer Eile und ritt auf das geöffnete Stadttor zu.

Ohne Vorwarnung bäumte sich die Stute auf. Ihr panisches Wiehern hallte ohrenbetäubend in seinem Kopf wieder und er stieß seinerseits einen erschrockenen Schrei aus. Etwas, das sich anfühlte wie Feuer und Eis zugleich fuhr in ihn hinein und sein ganzer Körper krampfte sich unwillkürlich zusammen. Er verlor den Halt und fiel, mit den Armen wild um sich rudernd, vom Pferd. Weiße Flecken tanzten vor seinen Augen und als er am Boden aufschlug, hatte er schon das Bewusstsein verloren.

 

Morg versuchte, die Leute zu ignorieren, die ihn bespuckten und faules Obst nach ihm warfen. Es gelang ihm nicht. Eine überreife Tomate zerplatzte an seiner Wange und tropfte in seinen Bart.

Die Menge johlte.

»Beweg dich!« Die Wache, die hinter ihm lief, schien ebenso wenig begeistert von den Freuden der Menge, wie er. Nur war auch hier Morg derjenige, der der Leidtragende war. Der junge Mann, Morg war sich sicher, dass er noch keine 18 Winter zählte, stieß ihm den Griff seines Schwertes schmerzhaft zwischen die Schultern und er stolperte einen unregelmäßigen Schritt nach vorne. Die Kette, die seine Fußgelenke aneinanderfesselte, klirrte und zerrte und er konnte gerade so einen Sturz verhindern, den er nicht hätte abfangen können, weil auch seine Hände in Eisen steckten.

Er zog den Kopf ein, als ein weiteres Stück faules Obst auf ihn zuflog. Diesmal gelang es ihm, auszuweichen. Dafür traf der labrige halbe Kohlkopf eine der beiden Wachen, die vor ihm liefen, am Hinterkopf. Es klang hohl, als das Gemüse auf den Helm prallte, was in Morg den Gedanken auslöste, dass der Kopf dieser Wache vielleicht so leer war, dass dieses Geräusch entstand. Er grinste wölfisch.

Dann erstarb das Grinsen auf seinem Gesicht, als der Wächter sich zu ihm umdrehte und ihm mit Wucht die Faust ins Gesicht schlug.

Morg strauchelte. Das Pfeifen in seinen Ohren bemühte sich, die johlende Menge zu übertönen. Der metallige Geschmack von Blut füllte seinen Mund. Unter lauten Rufen der Menge spuckte er einen Zahn aus. Dann erwiderte er den Blick der Wache gelassen.

Sie konnten ihm nichts mehr antun. Das hier war nur noch lästig. Eigentlich war er froh, dass es endlich zu Ende war. Egal was dieser Wächter, oder auch die Menge noch tat, er würde sie nicht mit Wut oder Verzweiflung beglücken. Das hatte er sich geschworen.

Er hatte seine Rache gehabt und er war bereit. Bereit heimzukehren zu seiner Tochter.

Seine fehlende Reaktion provozierte den Wächter noch mehr und er schlug ihm zweimal fest in den Bauch. Diesmal klappte er vornüber und fiel mit dem Gesicht in den Staub der Hauptstadt.

Dreck knirschte zwischen seinen Zähnen und mischte sich zum Geschmack des Blutes. Unsanft wurde er auf die Beine gezerrt und weitergestoßen. Dann endlich, drückte man ihn in einen Stuhl. Wenn er den Kopf drehte, konnte er den Steinblock sehen, auf dem ihm innert Kürze der Kopf abgeschlagen werden würde.

Es gab schlimmere Tode. Der Gedanke an Saima liess ihn beinahe lächeln. Ich komme.

Dann trat der König vor ihn. König Thoren Omara sah aus wie ein Mann, der alles unter Kontrolle hat. Jemand, der von nichts aus der Ruhe zu bringen war. Morg hatte ihn schon einmal gesehen und schon damals hatte ihn die Aura des Mannes beeindruckt. Er neigte den Kopf.

Die Menge war verstummt und schien im Kollektiv den Atem anzuhalten. Morg regte sich nicht.

Erst als jemand damit begann seine Schandtaten herunterzubeten, wagte er es, den König aus dem Augenwinkel zu betrachten.

Seine Haltung war aufrecht, seine Augen waren wachsam und klug auf die Menge gerichtet, so als sähen sie mehr, als jeder andere Mensch. Dennoch war der Mann unruhig. Dessen war sich Morg sicher.

»… verantwortlich für das große Feuer am Hafen, dass nicht nur die königliche Flotte stark beschädigt hat, sondern auch hunderte von guten Männern und Frauen das Leben gekostet hat …«

Er blendete die Worte aus. Das meiste, was gesagt wurde, war auf die eine oder andere Weise wahr. Anderes schien überdramatisiert und aufgeplustert. Er wusste es nicht mehr. Vieles war in den letzten Jahren geschehen und der Pfad, den er eingeschlagen hatte, hatte ihn den dunklen Abgründen der Menschheit geradezu entgegengeworfen.

Es spielte keine Rolle mehr.

Als der König sich ihm zuwandte, war er bereit.

»Bist du Morg, der Verbrecher, der alle diese Taten zu verantworten hat?«, sagte der König und seine volle Stimme wurde über den Platz getragen.

Er nickte. »Ja Majestät.«

»Als König dieser Stadt und dieses Landes, verurteile ich dich hiermit zum Tod durch Enthauptung.«

Die Menge johlte, bis der König in einer ruhigen Geste die Hand ob. Sie verstummten.

Eine Wache zerrte Morg wieder auf die Füße und zum Block. Der Typ ließ es sich nicht nehmen, unnötig grob zu sein und Morg fragte sich beiläufig, wie so viel Aggression in einen rechtschaffenen Mann passte. Er trat ihm vor dem Klotz in die Kniekehlen, so dass er hart am Boden aufschlug.

Diesmal konnte er nicht verhindern, dass er das Gesicht verzog, das sogleich jemand auf den Steinblock drückte. Er atmete aus.

Rufe erklangen. Erst einzeln, dann wurde der Ruf aufgenommen und er wurde immer lauter. Morg glaubte erst, es wäre ein erneutes Auffordern, sein Leben endlich zu beenden. Aber dann verstand er, das Wort, dass immer wieder wiederholt wurde.

»Der Prinz! Der Prinz!«

Mit seiner limitierten Sichtweite, versuchte er etwas zu erkennen, aber er sah gerade mal die Stiefel des Königs und auch die bewegten sich aus seinem Blickfeld. Dann hastete jemand schnaufend auf das Schafott.

Morg stellte sich vor, wie sich der Mann zu tief verbeugte und puterrot im Gesicht war.

»Mein König. Es ist. Der Prinz«, er holte keuchend Luft.

»Atmet. Dann sagt mir, was ihr sagen wollt«, sagte der König und seine Stimme klang noch immer ebenso ruhig, wie zuvor, als er Morg nach seinen Schandtaten gefragt hatte. Sein Respekt vor diesem Mann stieg.

Erneut wurden Rufe in der Menge laut, diesmal jedoch erkannte er von Anfang an, dass es panische Schreie waren. Etwas geschah.

Erst als eine Welle von etwas, dass sich anfühlte wie Blitz und Eis zugleich über ihn schwappte, verstand er, worum es ging.

»Wo ist er hin?!« Diesmal klang Unruhe in der Stimme des Königs.

Mit ausdruckslosem Gesicht hatte der General der Verlesung von Morgs Sünden beigewohnt. Ihre Hände hatte sie hinter dem Rücken verschränkt.
Sie steckten in ledernen Handschuhen, die sich wie eine zweite Haut, an ihre Hände schmiegten. Oder jedenfalls an ihre eine Hand. Auf der anderen konnte sie den Druck des Leders nicht fühlen. Das Einzige, was sie noch wahrnahm, war die Kälte. Wann immer sie die Hand ansah, rechnete sie damit, blasse, blau angelaufene Haut zu sehen, so eisig fühlte es sich an. Aber das war nie der Fall. Stattdessen sah sie das silberne Metall, das ihre Hand, wie die groteske Abwandlung des eigentlichen Handschuhs überzog.
Die Menge war aufgewühlt, ihre Gesichter zeigten Ausdrucke von Verachtung und Abscheu, bis hin zu offenem Hass und sie konnte es ihnen nicht verdenken. Sie hatte selbst keine Familie, aber sie fühlte mit all jenen, die durch Morgs Hand ihre Söhne, Väter, Ehemänner und Freunde verloren hatten.
Die Liste wäre beeindruckend, bestünde sie aus Heldentaten anstelle der unzähligen Gräueltaten, die man dem Mann vorwarf.
Eleonore musterte ihn aus dem Augenwinkel. Er sah gelangweilt aus, friedlich, aber nicht zufrieden. Es schien, als höre er überhaupt nicht zu.
Erst als der König persönlich, vor die Menge trat und ihn ansprach, antwortete er. Eleonore spitzte kaum merklich die Lippen, als die Stimme des Verbrechers bei seiner Antwort beinahe feierlich klang. Welches Spiel spielte er?
Die Menge verabscheute ihn, wofür also die Scharade?

Sie sah die rennende Wache, bevor sie die Rufe hörte. Einmal nur musste sie das atemlose «Der Prinz» hören, um zu handeln. Mit einer Bewegung ihrer gesunden Hand, gab sie einigen Soldaten, die rund um den Platz Spalier gestanden hatten, das Zeichen einzuschreiten und trat selbst näher an den König heran. Sie bewegten sich, zur selben Zeit, als der König den keuchenden Wächter um klare Worte bat.
Dann schrie jemand. Eindeutig eine Frau, und es hörte sich an wie ein Warnschrei. Eleonore kniff die Augen zusammen, während sie in die Menschenmenge blickte. Eine junge Frau mit dunklem, zu einem Zopf gebundenen Haar, kämpfte sich mit einem Jungen an der Hand durch die Menge.
Dann konnte sie fühlen, wie ihr erneut die Haare zu Berge standen. Die Luft war geladen, wie schon am frühen Morgen. Sie fluchte.
Dann warf sie sich auf den König und drückte ihn zu Boden. Schreie begleiteten die tosende Explosion der Magie und erst, als sie nachließen, erhob sich der General und half dem König auf die Beine.
«Wo ist er hin?» König Thoren Omara blickte verstört zum Klotz, hinter dem bis vor kurzem noch der Verbrecher gekniet hatte.
Eleonores Augen suchten erneut die Menge ab. Das Einzige, was ihr auffiel, war die junge Frau, mit den dunklen Haaren. Sie stand noch immer aufrecht und eilte, das Kind an der Hand, direkt auf den König zu.
«Platz da! Macht Platz für den Prinzen!»
Eleonore stöhnte lautlos. Das passte in das ganze Chaos genau hinein, dass ihre Soldaten keine Ahnung von Diskretion hatten. Sie würde sich Phil später vorknöpfen. Jetzt aber folgte sie einfach dem König, der von dem kleinen Podest heruntertrat, mitten unter die Ansammlung und seinem auf einer Trage liegenden Sohn entgegeneilte.
Die Menschenmenge teilte sich, einige waren beim Entladen der Magie davongerannt, andere hatten versucht, sich zu verstecken. Der Schreck stand ihnen allen in den Gesichtern. Noch immer erklangen Schreie und viele versuchten hektisch, wieder auf die Beine und weg vom Hauptplatz zu kommen.
Nur einige wenige blieben, wie von morbider Neugier getrieben, stehen und blickten in Richtung des Königs, der inzwischen vor seinem Sohn kniete.
«Wir sahen, wie er vom Pferd fiel, mein König», sagte Phil und blickte dabei auf seine Füße.
Der König tippte sich mit dem Finger an die Lippen.
«Er fiel vom Pferd?» Eleonore klang viel ungehaltener, als sie wollte und Phil schluckte und nickte dann hastig. «Wir wissen nicht genau, weshalb.» Dann blickte er Eleonore schnell in die Augen. «Aber, aufgrund der Tatsache, dass auf diesem Platz -» er machte den Satz nicht fertig, umfasste den Platz lediglich mit einer Geste, «denke ich, wilde Magie?»
Jemand räusperte sich und Eleonore war nicht erstaunt, erneut die junge Frau, mit den dunklen Haaren zu sehen. Diesmal ganz nah vor sich. Sie hatte etwas Eigenartiges an sich. Es sah ein bisschen aus, als leuchte sie. Der Junge an ihrer Hand sah ängstlich zwischen ihr und Eleonore und dem König hin und her.
Der General kannte sein Gesicht. Es war einer von Kadrims kleinen Taschendieben, sie hatte ihn schon ein zweimal gesehen. Nur was er genau hier tat, erschloss sich ihr noch nicht.
«Mäjestät?» Ihre Stimme war sanft und melodiös. Sie leckte sich nervös über die Lippen.
Eleonore warf dem König einen Blick zu, aber er schien das Mädchen nicht gehört zu haben. Sie trat auf es zu und griff es am Arm.
«Der König hat im Augenblick keine Zeit für eure Probleme.» Tut mir leid. Sie sagte es nicht. Immerhin war die Frau ihrem Kleid nach eine einfache Arbeiterin. Wäscherin oder vielleicht, putzte sie auch, und es war unschicklich, dass sich der General des Königs bei jemandem entschuldigte, der nicht der König selbst oder einer seines Blutes war.
Sie drängte sie weg, doch das Mädchen stemmte sich ihr überraschend kräftig entgegen. «Aber ich kann helfen!»